L2 Die Unglücksstelle

L2 Pressebericht: Die Unglücksstätte

Zeppelin LZ 18 - Marine-Luftschiff L2

Marine-Luftschiff L2 (Zeppelin LZ 18)
An der Stätte des Luftschiffunglücks
Die Totenreihe in der Ballonhalle

Dicht an der Rudower Chaussee, die über freies Gelände führt, das gerade erst der Bebauung erschlossen wird, ein kleines Stück von den letzten Miethäusern Johannisthals entfernt, sieht man jetzt das in tausend Stücke erbrochene Gerippe des einstigen Luftschiffes “L 2” auf einer Wiese liegen. Hoch auf ragen die Aluminiumspanten des Heckstückes, dann folgt in der Längsachse des verunglückten Schiffes ein Gewirr verbogener Aluminiumteile, zum Teil tief, ganz tief in die Erde gebohrt.

Das Aluminium glänzt noch immer weiß in seiner großen Masse und nur an wenigen Stellen merkt man vom Wüten der Flammen geschwärzte Stellen. An diesem traurigen Durcheinander hängen hier und da die kümmerlichen gelben Fetzen eines Ballonstoffes, ist hier und da, halb vergraben, ein kleiner Gebrauchsgegenstand zu erblicken, der durch ein Wunder der Vernichtung entgangen ist. Beschädigte Benzintanks sind rund umher verstreut, große Kessel, aus denen sich der verderbenbringende Explosionsstoff bereits ergossen hat. Drei in der Bewegung erstarrte Flügel eines Propellers ragen in die Luft hinein, ein anderer hat nur noch den einen seiner Flügel behalten und streckt ihn schräg voraus. Winzige Dinge, die eine schreckliche Sprache reden, liegen noch auf dem dichten Grasboden umher: blanke Knöpfe, Zeugfetzen, kleine Zahnräder, einst der nützliche Teil eines großen, jetzt vernichteten Werkes.

Am Nachmittag befand sich die stille Chaussee, die diese Unglücksstelle erschließt, in einer unaufhörlichen Bewegung. Automobile zogen in langen Reihen hinaus; an den Seiten Familien zu Fuß mit Kind und Kegel, mit Kinderwagen und großen Brotkörben. Die Unglücksstelle, von Gendarmerie und Militär im großen Viereck abgesperrt, ist von einer Menschenmauer umgeben. Da liegt man auf dem Gras, ißt seine Butterbrote und wirft das Papier weg. Inmitten des Platzes müht sich ein kleines Detachement von Matrosen, die Trümmer nach Möglichkeit zu sortieren. Aus dem Knäuel von Aluminiumblech wird gerissen und herausgesägt, was sich irgend entfernen läßt und in Körben fortgeschafft. Von Zeit zu Zeit richtet sich einer der Leute von seiner mühseligen Arbeit empor und dreht ein kleines Etwas  zwischen den Fingern, irgendeine unbedeutende Winzigkeit, vielleicht einen Luxusgegenstand.

Aber diese ganze Arbeit geht fast lautlos vonstatten. Kaum ein Wort ist hörbar. Die vielen Hunderte, die diesen Platz umlagern, sprechen ganz, ganz leise. Dann fährt zuweilen ein Automobil über den abgesperrten Platz zum Trümmerhaufen. Männer, die der Untersuchungskommission angehören und von den Seeoffizieren, die die Aufsicht führen, begrüßt werden. Der Kriegsminister fährt vor und umschreitet mit seiner Begleitung langsam das Trümmerfeld. An der Stelle, wo sie niedergestürzt ist, liegt auch die Spitze des Luftschiffes, eine konisch gebogene, zerbeulte Kuppel, einem risigen Fingerhut, einer Blechhaube nicht unähnlich. Das Wetter hält sich klar, nur gegen Abend steigen Herbstnebel auf und die Sonne verschwindet im Orangerot des Horizonts, als ein Flugapparat, der einzige heute, über den Platz seine Bahnen zieht.

Dann werden die Matrosen abgelöst und die Menge verzieht sich. Das Gerippe bleibt still liegen. Ein paar hundert Meter entfernt liegt die Luftschiffhalle. Die Marineflagge auf ihrem Dach ist halbmast gezogen. In der Halle liegen die Leichen der 27 Opfer.

Die Ehrenwache, Mannschaften des Seebataillons, stehen steif mit aufgepflanztem Bajonett daneben, mit Helm und Sturmriemen. Draußen vor der Halle ist alles auf das strengste abgesperrt, niemand wird hineingelassen; nur durch den Zaun zu sehen ist erlaubt. Wer einen Toten rekognoszieren will, dem wird eine Liste vorgehalten. Ein ganz altes Mütterchen macht zitternd vor dem Posten Halt. Sie spricht demütig ein paar Worte. Das Blatt Papier wird ihr gezeigt, das die Namen der Toten enthält. Plötzlich schreit sie auf, greift in die Luft und bricht zusammen. Ohnmächtig wird sie fortgetragen. Eine Frau mit einem kleinen Mädchen an der Hand wird weinend in die Halle geführt.

Als der Mond rot verschwommen, wie in einen Schleier gehüllt, dunstig aufgeht, kommt ein großer  Leichenwagen, fährt durch das Tor der Umzäunung und hält vor der kleinen Tür der Halle. Er soll die Leiche eines der Offiziere aufnehmen, dem die Übungsfahrt des “L 2” den Tod brachte. Heute früh werden die Leichen der übrigen Verunglückten ins Garnisonlazarett übergeführt. Bis tief in den Abend hinein kommt hier das Leben nicht zur Ruhe. Auf dem Flugplatz steigen signalisierende Leuchtkugeln auf und beleuchten einen Augenblick die trübe Szene.  (F.K.)

 

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